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06.05.2010 - FREIES WORT - Lokalausgabe Hildburghausen Übersicht | Drucken

Künstlerhof: Aus Geschichte sollen Geschichten werden

Michael Jahn aus Masserberg ist der neue Stipendiat in Schleusingen. Die Erwartungen an ihn sind hoch. "Kopfwende" heißt sein Film-Projekt.

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Vorführgerät und Filmrolle - zwei Utensilien, mit denen sich Michael Jahn, der neue Stipendiat im Roten Ochsen, schon gut auskennt. Natürlich will er auch mittels professioneller neuer Technik sein filmisches Werk voranbringen. Foto: J. Lautensack
Von Jürgen Lautensack

Schleusingen -
Selbst der Bürgermeister dürfte erstaunt gewesen sein über die 20 Jahre alten Filmaufnahmen, aus denen Michael Jahn im nächsten halben Jahr einen richtigen Film machen will. Und das dürfte nicht nur daran gelegen haben, dass sich Klaus Brodführer mit noch vollem schwarzen Kopf- und Barthaar in einem Interview von damals wiedersah.

Rund 20 DVDs mit Rohmaterial lagen fast die ganze Zeit eher unbeachtet im Schleusinger Rathaus. "Das hat uns mal 10 000 Mark gekostet, und wir konnten die ganze Zeit nichts damit anfangen. Mach aus der Geschichte Geschichten!", ermunterte der Bürgermeister den neuen Stipendiaten im Künstlerhof Roter Ochse, der am Dienstagabend vorgestellt wurde.

Michael Jahn aus Masserberg, Jahrgang 1985, ist der erste Filmschaffende unter den Stipendiaten des Künstlerhofs - und der erste, der aus der Region stammt. Die Erwartungen an ihn sind naturgemäß hoch, immerhin will er sich unmittelbar mit der Schleusinger Geschichte auseinander setzen. "Kopfwende" heißt das zentrale Projekt seines halbjährigen Stipendiums in Schleusingen, für das er natürlich auch im Roten Ochsen einziehen wird. "Ein paar Sachen fehlen noch, aber ich werde trotz der Nähe zum Heimatort auf jeden Fall die meiste Zeit hier wohnen", versprach er.

Seine Aufgabe, der er sich stellen will, wird zunächst auch erst einmal eine große Fleißarbeit erfordern - nämlich jene gut 20 DVDs mit den zig Stunden Rohmaterial zu sichten. Unterstützt wird er hier vor allem auf technischer Seite vom Medienzentrum Henneberger Land, dessen Möglichkeiten er bereits gut kennt und gern nutzen wird.

Bereits mit Preisen bedacht

Schon während des Abiturs am beruflichen Gymnasium in Hildburghausen hatte sich Michael Jahn auf vielfältige Weise mit dem Medium Film vertraut gemacht - bis hin zur Arbeit im Kino im Badehaus Masserberg. In Praktika hat er seine filmische Arbeit vertieft, und das so weit, dass er bereits mit Preisen ausgezeichnet wurde.

Unter anderem für den Kurzfilm "Zwei Grenzer", der zwei Grenzsoldaten - der eine von den Grenztruppen der NVA, der andere vom Bundesgrenzschutz der BRD - von dem gegenseitigen Belauern vor der Wende bis zum persönlichen Kontakt in der heutigen Zeit vorstellt.

Eine Brücke ins Heute

Doch sein Projekt "Kopfwende" soll nicht einfach nur ein Zusammenschnitt alter Filme werden. Gemeinsam mit Schülern des Hennebergischen Gymnasiums soll er auch eine Brücke ins Heute sein, sollen Menschen von damals jetzt noch einmal zu Wort kommen. Sie werden erzählen, ob sich ihre Erwartungen von der Wende und allem, was folgte, erfüllt haben. "Die Schüler sollen dabei durchaus auch ihre politische Identität finden", wünscht sich Michael Jahn.

Achim Hess vom Medienzentrum Henneberger Land formulierte es so: "Zuhause, in der Schule, in den Medien - überall wird ein anderes Bild von der DDR gezeichnet. Mit dem Film, der hier in Schleusingen entstehen wird, gelingt es vielleicht, eine relative Wahrheit zu zeigen."

Hohe Erwartungen an einen jungen Mann, der die Wende im Alter von vier, fünf Jahren kaum bewusst erlebte. Vielleicht aber ist gerade das ein Vorteil. Der Filmemacher kann ohne eigene Erinnerungen an die DDR und die Wende in seine Zeit(reise) in Schleusingen zu starten. Auf das Ergebnis dürfen die Schleusinger auf jeden Fall schon jetzt gespannt sein.

aktualisiert von Thomas G. Marzian, 06.05.2010, 18:15 Uhr
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